In den diesjährigen Produktionen der Theaterwerkstatt an der Hochschule Bremen (HSB) setzen sich die Studierenden mit aktuellen gesellschaftlichen Themen auseinander: Ich-Bezogenheit und Einsamkeit. „Das große Fressen“ feiert am 24. Juni 2022 Premiere, „Dis # Connected“ am 26. Juni 2022, es folgen jeweils weitere Aufführungen bis zum Ende des Monats.
Ein Panorama einer Ich-bezogenen, in rasendem Stillstand erstarrten Gesellschaft.
An einem undefinierten Ort treffen sich einige nicht näher definierte Menschen zum gemeinsamen Essen und Trinken und machen das, wozu sie sich berufen fühlen: Sie diskutieren über die unterschiedlichsten Themen dieser Zeit. Sie problematisieren, argumentieren und theoretisieren in Dauerschleife – ohne je zu irgendeinem Ergebnis zu kommen.
Ziellos wird der vermeintlich beklagenswerte Zustand dieser Welt umkreist. Vom Klimawandel über Sinn und Unsinn der Second-Hand-Industrie. Über Ausbeutungsmentalitäten des Menschen hin zu verstörenden Parallel-Systemen via VR-Brille. Politische Themen werden nahtlos und gechillt mit Alltagsthemen, wie das Zubereiten von „Yum Yum“-Nudeln, gleichermaßen abgehandelt. Zu allen Themen gibt es Meinungen und mindestens drei Wahrheiten, die abgewogen und wegdiskutiert werden. Hier wie da erodiert nach und nach jede Gewissheit und eine diffuse Angst kommt ins Spiel – auch weil nicht einfach jemand losgeht und etwas tut, statt immer nur schlau daherzureden.
Im rasenden Stillstand steuern die Protagonist:innen so zuschauend, überfordert und orientierungslos – mit der Chipstüte im Arm – einer noch undefinierbaren Zeit entgegen.
Die zweite Produktion der Theaterwerkstatt ist ein Theaterstück über die neue Einsamkeit. Nicht erst seit den Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie wird zunehmend über die Vereinsamung in der Gesellschaft diskutiert. In seinem Buch „Disconnected“ schreibt der Theatermacher Falk Richter: „Wie können erschöpfte Menschen ohne Vertrauen Nähe zueinander herstellen? Wie sieht zwischenmenschliche Kommunikation aus, die weitgehend von Misstrauen gezeichnet ist? Der Bruch, der disconnect, ist das dramatische Ereignis unserer Zeit.“
Dabei sind vermehrt auch junge Menschen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren von Einsamkeit betroffen. Das Stück betrachtet das Verhältnis des Individuums zu seinen Mitmenschen aus dieser jungen Perspektive: „Das Leben der anderen ist immer geiler.“ Es wächst die Angst, etwas zu verpassen, nicht mehr mitreden zu können, nicht mehr dazuzugehören. „Das Leben kann so schön sein, aber ich komme darin nicht vor!“
Die Theaterwerkstatt gehört seit mehr als 20 Jahren zum kulturellen Angebot der Hochschule Bremen und ist offen für Studierende aller Fachrichtungen. Jedes Jahr erarbeiten zwei Gruppen über ein Jahr Stücke, die sie im Sommersemester öffentlich aufführen.
Die Arbeit in der Theaterwerkstatt dient auch dazu, die Ausdruckskraft des Körpers und der Sprache sowie die soziale Kompetenz zu fördern. In den letzten Jahren wurden die Stücke in der Schwankhalle, im Kulturzentrum Schlachthof, in der Bremer Shakespeare Company oder in ungewöhnlichen Räumen wie der WKL-Maschinenhalle auf dem HSB-Campus Neustadtswall aufgeführt.
Roland Huhs
Leitung Theaterwerkstatt
0421 5905 2060
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Holger Möller
Leitung Theaterwerkstatt
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