Ein Forschungsteam aus der Bionik an der Hochschule Bremen (HSB) und des Departments of Bioengineering am Imperial College (London) hat ein alltägliches Naturphänomen unter die wissenschaftliche Lupe genommen - mit erstaunlichem Ergebnis: Die innere Membran eines Hühnereis verleiht der spröden Eierschale eine erstaunliche Zähigkeit. Und genau diese Eigenschaft könnte wegweisend für die Entwicklung von Werkstoffen in Technik und Architektur sein.
Veröffentlicht wurde die Studie aktuell im Journal of the Mechanical Behavior of Biomedical Materials unter dem Titel: „The role of the membrane in the hen’s egg as a model for increasing the toughness of engineered brittle materials“.
Das Besondere: Statt das Ei nur als biologisches Objekt zu analysieren, betrachtet das Autorenteam die Eierschale als bionisches Modell, also als Vorbild für technische Anwendungen. „In der Bionik geht es uns darum, von der Natur zu lernen. Die Eierschale liefert hier ein Paradebeispiel dafür, wie fragile Strukturen durch eine geschickt integrierte Membran enorm an Zähigkeit und Verformungsarbeit gewinnen können“, erklärt Professor Jörg Müssig, Leiter der Biological Materials Group am Bionik-Innovation-Centrum der HSB.
Die Experimente zeigen eindrucksvoll: Wird die natürliche Membran entfernt, verliert das Ei bei Belastung fast vollständig seine Bruchzähigkeit. Wird sie jedoch durch bestimmte künstliche Membranen ersetzt, steigt die Energieaufnahmefähigkeit des gesamten Systems um ein Vielfaches. „Das hat direkte Implikationen für technische Anwendungen mit spröden Werkstoffen, etwa in der Luftfahrt, bei feuerfesten Werkstoffen oder sogar im Fassadenbau“, sagt Erstautor Raphael Woida.
Bionische Forschung made in Bremen zeigt hier erneut, wie sich hochkomplexe Prinzipien aus der Natur in einfache, aber effektive technische Konzepte überführen lassen. Die Eierschale, jahrtausendelang übersehen, könnte damit zum Vorbild für Werkstoffe und Bauteile werden, die bei Bruch nicht einfach zerfallen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes „zusammenhalten“.