Die Hochschule Bremen veranstaltet am Freitag, 27. September 2024, eine interdisziplinäre Tagung zur Sprachgesundheit. Im Mittelpunkt steht die Unterscheidung zwischen Sprachförderung und Sprachtherapie, die häufig missverstanden wird. Expert:innen aus den Bereichen Schule, Logopädie, HNO, Kinderheilkunde, Pädaudiologie, Phoniatrie und Zahnmedizin diskutieren die aktuelle Versorgungssituation und räumen mit gängigen Missinterpretationen auf. Die Veranstaltung unterstreicht die Bedeutung einer sprachgesunden Kindesentwicklung als Grundlage für Bildung und thematisiert die Herausforderungen des Fachkräftemangels sowie die Chancen auf Bildungsgerechtigkeit und Kindeswohl. Antje Grotheer, Präsidentin der Bremischen Bürgerschaft, ist Schirmherrin der Veranstaltung und wird ein Grußwort sprechen. Das Interesse ist hoch. Die Tagung ist seit Wochen ausgebucht.
„Es geht darum, in Zeiten knapper Ressourcen bestmögliche Wege in der interprofessionellen Zusammenarbeit zu finden, um das Kindeswohl nicht weiter zu gefährden“, sagt Prof. Dr. Wiebke Scharff Rethfeldt, die die Tagung an der HSB organisiert. „Kinder mit angeborenen Sprachstörungen oder deren erworbene Hörstörungen nicht oder unzureichend medizinisch behandelt wurden, erwerben Sprachfähigkeiten oft unzureichend. Das wirkt sich auch auf den Erwerb von Lesen und Schreiben aus“, erläutert die Expertin.
Rund zehn Prozent aller Kinder haben eine Sprachstörung, ungeachtet dessen, ob sie einsprachig oder mehrsprachig aufwachsen. Diese muss frühzeitig logopädisch behandelt werden. Dabei haben rund zwei Kinder pro Schulklasse eine Sprachstörung, ohne erkennbar weitere Beeinträchtigungen. Gerade bei mehrsprachigen Kindern sehen sich Fachkräfte vor sprachdiagnostischen Herausforderungen, aber Logopäden können bereits bei Dreijährigen das Vorliegen einer Sprachstörung abklären.
Bei Kindern, deren Sprachgesundheit beeinträchtigt ist, reicht eine Sprachförderung nicht aus: Sie benötigen eine logopädische Therapie. Kinder mit Sprachstörungen haben Schwierigkeiten, Sprache zu verstehen und sich sprachlich auszudrücken. Bei einer Sprachstörung besteht ein erhöhtes Risiko negativer Auswirkungen auf Teilhabe und Lebensqualität. Dazu zählen zum Beispiel Legasthenie, Dyskalkulie, Mobbing-Erfahrungen, klinisch relevante Depression, Vermeideverhalten und Rückzug in eine virtuelle Welt, aber auch ein erhöhtes Risiko sexualisierter Gewalterfahrungen, sexueller Missbrauch, und eine überdurchschnittlich hohe Straffälligkeit.
„Früherkennung ist Kinderschutz“, sagt Scharff Rethfeldt, „und eine frühzeitige Versorgung von gesundheitlich bedingten Sprach- und Kommunikationsstörungen ist daher wichtig – für Kinder, Familien und unsere Gesellschaft. Aber aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen eine hohe Fehlversorgung und Barrieren im Versorgungszugang auf. Sprach- und Kommunikationsstörungen werden nicht oder zu spät erkannt, und einige Kinder bleiben unversorgt“, so die Wissenschaftlerin.
Prof. Dr. Wiebke Scharff Rethfeldt
Professorin für Logopädie
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